Drei Fragen an Burkhard Freier, Leiter des NRW-Verfassungsschutzes

Drei Fragen an Burkhard Freier, Leiter des NRW-VerfassungsschutzesBurkhard Freier trat nach dem zweiten juristischen Staatsexamen 1985 in den Landesdienst bei der Bezirksregierung Düsseldorf ein. Zwischen 1991 und 2001 übernahm er verschiedene Führungsfunktionen im NRW-Innenministerium, anschließend war er bis 2006 Stellvertreter der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW. Von Mitte 2006 bis Ende 2011 war Burkhard Freier als stellvertretender Leiter des NRW-Verfassungsschutzes für die Bereiche Extremismus, Terrorismus, Spionageabwehr und Nachrichtenbeschaffung verantwortlich. Von Januar bis Juli 2012 war er stellvertretender Leiter der Polizeiabteilung des NRW-Innenministeriums. Seit August 2012 hat Burkhard Freier die Leitung des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen übernommen.

Frage 1: Nach Aussagen und Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden operieren derzeit mehr als 200 militante Islamisten aus Deutschland in Syrien. Sie zieht es in den Dschihad. Wie viele von diesem Kontingent kommen aus Nordrhein-Westfalen und wo liegen hier die salafistischen Schwerpunkte?

Den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden sind rund 100 Ausreisen von Personen aus Nordrhein-Westfalen mit dem mutmaßlichen Ziel der Unterstützung des bewaffneten Dschihad bekannt. Diese Unterstützung kann in der Lieferung humanitärer Hilfsgüter, logistischer Unterstützung verschiedener Art oder auch in der Beteiligung am bewaffneten Kampf bestehen. Die Sicherheitsbehörden gehen nach den bislang vorliegen Erkenntnissen auch anderer Nachrichtendienste  davon aus, dass sich seit 2012 etwa 50 Personen aus Nordrhein-Westfalen am bewaffneten Dschihad beteiligt haben beziehungsweise beteiligen.

Da der Salafismus zu 90 Prozent ein Phänomen im Bereich muslimisch-stämmiger Einwanderer ist, liegen die Schwerpunkte  in den  Großstädten und Industrieregionen Nordrhein-Westfalens mit einer entsprechenden Historie.

Frage 2: Welche Motive haben jene jungen Muslime, die aus Deutschland nach Syrien reisen, um sich der Opposition gegen Assad anzuschließen? Gibt es so etwas wie ein allgemeingültiges Persönlichkeitsprofil?

Die anhaltenden Kämpfe in Syrien haben eine starke emotionalisierende Wirkung auf  junge Muslime, die sich einer der Konfliktparteien zugehörig fühlen. Insbesondere in „salafistischen Bestrebungen“, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist eine zunehmende Radikalisierung durch diesen Konflikt zu beobachten. Wir beobachten auch eine verstärkte Radikalisierung durch Propaganda im Internet, Predigten und Benefizveranstaltungen. Oftmals wird dabei indirekt zur Beteiligung an den Kämpfen in Syrien aufgefordert.

Ein einheitliches Persönlichkeitsprofil aller Ausgereisten ist derzeit nicht erkennbar. Es haben sich aber Gemeinsamkeiten gezeigt wie: das Zielland ist seit 2012 mehrheitlich Syrien. Die Mehrzahl der Personen ist männlich im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Über 70 Prozent haben die deutsche Staatsbürgerschaft und einen Migrationshintergrund. Etwa die Hälfte der Ausgereisten sind zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Frage 3: Sind Ihrer Behörde schon konkrete Rückkehrer, deren Namen und eventuellen Absichten bekannt oder können Sie nur vage vermuten, was diese Männer hier vorhaben?

Den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden sind Rückkehrer aus den Kampfgebieten in Syrien bekannt. Ihre Anzahl bewegt sich im einstelligen Bereich. In der Vergangenheit war zu beobachten, dass diese Rückkehrer meist ideologisch gefestigt und weiter radikalisiert waren. Innerhalb der salafistischen Szene genießen sie  ein hohes Ansehen und können damit maßgeblich zu einer weiteren Rekrutierung und Radikalisierung anderer Personen beitragen. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie im Umgang mit Waffen und Sprengstoff unterrichtet sind und Kampferfahrung besitzen. Rückkehrer aus den Kampfgebieten stellen für die Sicherheitsbehörden aus diesen Gründen ein besonderes Sicherheitsrisiko dar.

Da sich dschihadistisch-salafistische Rückkehrer al-Qaida-nahen Gruppierungen angeschlossen bzw. dies versucht haben,  müssen wir auch immer einkalkulieren, dass sie mit einem terroristischen Auftrag zurückkehren. Hinzu kommt noch, dass sie durch Kampf- und Gewalterfahrung im Kriegsgebiet traumatisiert sein können, was unkalkulierbare Folgen haben kann. Deshalb haben Polizei und Verfassungsschutz diese Rückkehrer  besonders im Visier.

Die Fragen stellte Rolf Tophoven, Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.

Quellenangaben
Titelbild: Rolf Tophoven

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
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