Kommunikations-„Black-Out“ im Siegerland: leere Bildschirme und stumme Telefone

Ein Feuer bei der Telekom-Vermittlungsstelle in der Siegener Innenstadt legte am 21. Januar 2013 nahezu die gesamte Telekommunikation (Festnetz, Mobilfunk D 1, Internet) im Servicegebiet lahm. Nicht nur Direktkunden der Telekom waren beeinträchtigt, sondern auch Kreditinstitute und sämtliche Geldautomaten, unter anderem der gesamte Buchungsverkehr. Welche Konsequenzen sind aus diesem Ereignis zu ziehen?

Die Tageszeitungen berichteten über einen „stundenlangen Ausnahmezustand“ im Kreis Siegen-Wittgenstein, Kreis Olpe und Teilen des Marburger Hinterlandes, des nördlichen Dillkreises und des Landkreises Altenkirchen. Schätzungsweise waren insgesamt rund 500.000 Menschen mittel- und unmittelbar davon betroffen. Zur Bewältigung von adminstrativ-organisatorischen Aufgaben wurde ein Krisenstab eingerichtet, da stundenlang auch keine Notrufe über die Nummern 112 oder 110 möglich waren. Im Kreis Siegen-Wittgenstein besetzte die Feuerwehr sämtliche 122 Gerätehäuser mit rund 400 Feuerwehrleuten und wurde so zum Ansprechpartner für betroffene Bürger. Bewohner Siegener Ortsteile wurden regelmäßig mit Lautsprecherdurchsagen informiert. Selbst die Polizei sicherte mit einer alarmierten Hundertschaft ihre Präsenz vor Ort, unter anderem mit zusätzlichen Streifen.

Abhängigkeit von Kommunikationsmitteln
Die weitreichenden Auswirkungen solcher Kommunikationsausfälle auf kritische Infrastrukturen zeigt das Beispiel eines Stadtkrankenhauses. Dort waren Ärzte während einer Operation auf wichtige Informationen eines Hygieneinstituts angewiesen und mussten zur Datengewinnung einen „klassischen Melder“ einsetzen. Erst als dieser mit den benötigten Daten wieder zurückkam, konnte der Eingriff fortgesetzt werden. Für zahlreiche Unternehmen in der Region kam es zu kurz- und mittelfristigen Produktionsausfällen, da deren IT-Verbindungen mit teilweise im Ausland befindlichen Buchungssystemen unterbrochen waren. Auch der Einzelhandel beklagte, dass Kunden von Tankstellen oder in Geschäften nicht mehr bargeldlos zahlen konnten. Für Mobilfunknutzer bedeutete der Ausfall, dass keine SMS, Gespräche oder Smartphone-Nachrichten möglich waren.

Insgesamt zeigt diese ungewollte „Funkstille“ im Großraum Siegerland, wie abhängig unsere vernetzte Gesellschaft von modernen und ausfallsicheren Kommunikationsmitteln ist und welche weitreichenden Auswirkungen ein solches Ereignis hat. Verwaltungen, Unternehmen, alle Institutionen mit Sicherheitsaufgaben sowie jeder einzelne Bürger muss in Zukunft auf Beeinträchtigungen „kritischer Infrastrukturen“ durch den Ausfall von Kommunikationsmitteln und/oder der Stromversorgung vorbereitet sein. Krisenstäbe von Verwaltungen und Unternehmen prüfen, ob die Anschaffung (oder ein Leasing) von mobilen Satellitentelefonen eine Lösung des Problems darstellen könnte. Jeder Bürger ist gut beraten, seine Lebensweise und sein Kommunikationsverhalten mit Mitmenschen und Nachbarn zu überdenken. Erst in solchen Krisenlagen lernt man unser gutes Telekommunikationsnetz in Deutschland neu zu schätzen.

Den Ernstfall proben
Notfallpläne von Krisenstäben und Einsatzleitungen sollten solche Szenarien zukünftig stärker berücksichtigen. Schadenslagen mit Teil- oder Komplettausfällen der Telekommunikation lassen sich in Ausbildungen und Übungen simulieren, um so für den nicht auszuschließenden Ernstfall besser gewappnet zu sein. Nicht auszudenken, wenn im Rahmen eines stufenweisen Schadensszenarios (z. B. großflächiger und langanhaltender Stromausfall für mehrere Tage) weitere Telekom-Einrichtungen betroffen sind und dadurch die Kommunikation in weiten Teilen der Bundesrepublik in Mitleidenschaft ziehen. Fachleuten diskutieren derzeit solche Szenarien und suchen nach praxisgerechten Lösungsansätzen. Rasch umsetzbare Lösungen sind jetzt erforderlich, um für den nächsten Schadensfall gerüstet zu sein.

Der Autor des Beitrags ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Sicherheitsstudien FIRMITAS, ein unabhängiges, privates Forschungs- und Beratungsinstitut.

FIRMITAS bietet als Ausbildungseinrichtung Inhouse-Workshops und Planspiele bis hin zu Stabsrahmenübungen unterschiedlicher Schadensszenarien an. Zum Beispiel wurden in den letzten Jahren in großen Stabsrahmenübungen durchgeführt, zuletzt im Herbst 2012 mit dem Krisenstab des Märkischen Kreises und drei kreisangehörigen Städten sowie Energieversorgern.

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Autor des Security Explorers.
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