Fälschern das Handwerk legen

1. Wer ist betroffen
Die ständigen Meldungen in der Tagespresse zu Aufgriffen bei Produkt-und Markenpiraterie machen es schwer, eine Branche zu benennen, die von dieser Problematik noch nicht betroffen ist. Gefälscht wird alles, vom mp3-Player, über Kuscheltiere, Lichtschalter und Kfz-Teile bis hin zur Zahnbürste. Deutsche Zollbehörden konnten im Jahr 2008 28 Millionen Plagiate aus dem Verkehr ziehen, über die Hälfte hiervon stammten aus China. Ein größerer Aufgriff gelang den Zöllnern unter anderem mit 2,85 Millionen gefälschten Spielfiguren. Europaweit wurden 178 Millionen gefälschte Produkte entdeckt, doppelt so viel wie noch 2007. Und die statistischen Zahlen spiegeln nur die bekannt gewordenen Fälle wieder. Der deutsche Zoll beschlagnahmte 2008 insgesamt 8.495 Lieferungen. Jedes Unternehmen, das ein mehr oder weniger erfolgreiches Produkt auf den Markt bringt und internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist früher oder später auch von Produktpiraterie betroffen.

2. Microsoft-spezifische Probleme
2.1 Manipulierte und kopierte Software

Geschätzte zehn Millionen Internetsurfer nutzten bis Mitte 2009 den Service von zwei chinesischen Raubkopierern, die das Betriebssystem 'Windows XP' kostenlos zum Download anboten. Die Schutzmechanismen des Betriebssystems wurden von den beiden Software-Piraten manipuliert und waren inaktiv. An der Windows XP Tomato Garden Edition konnte sich jeder, der wollte, kostenfrei bedienen. Ihr Geld verdienten die Raubkopierer mit der Werbung auf der Website. Auch aus Deutschland sind Fälle bekannt, bei denen Betreiber solcher Webseiten im Monat bis zu 50.000 Euro Einnahmen aus Werbung erzielen konnten. Der Fall in China endete schließlich mit einer Verurteilung der beiden Täter und des Betreibers der Webseite durch ein chinesisches Gericht zu Haft- und Geldstrafen.

Das Reich der Mitte steht bisher weltweit auf einer Spitzenposition, wenn es um Produkt- und im speziellen um Software-Piraterie geht. Für 2008 weist die Statistik der Business Software Alliance (BSA) für China eine Raubkopierrate von 80 Prozent aus. Der errechnete Schaden für die Software-Unternehmen lag 2008 laut BSA-Angaben bei 6,7 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Deutschland spricht die BSA im gleichen Zeitraum von einer Raubkopierrate von 27 Prozent, das entspricht einem geschätzten Umsatzausfall von 2,1 Milliarden Euro.

Nicht nur im Softwaremarkt, sondern für alle Unternehmen, die geistiges Eigentum digital zur Verfügung stellen, ergeben sich ganz spezielle Herausforderungen zum Schutz ihrer immateriellen Rechtsgüter. Digital verfügbare Werke lassen sich quasi von jedermann mit handelsüblicher PC-Ausstattung beliebig oft kopieren.

2.2 Weitere Formen der Piraterie zulasten von Microsoft
Neben der klassischen Raubkopie in Form einer selbst gebrannten CD ist Microsoft von einer Vielzahl weiterer Formen von Piraterie betroffen. Hier einige Beispiele:

  • Hard Disk Loading: Obgleich es sich dabei wohl um eine der "unintelligentesten" Formen der Software-Piraterie handelt, gibt es leider noch immer Händler, die sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil erhoffen, dass sie PCs mit vorinstallierter, unlizenzierter Software vertreiben - also sogenanntes Hard Disk Loading betreiben. Hard Disk Loading schadet nicht nur Microsoft und anderen betroffenen Softwareherstellern. Betroffen sind auch die ehrlichen PC Händler und ihre Kunden. Der raubkopierende Wettbewerber kann seine Computer entsprechend günstiger am Markt anbieten und verzerrt somit den Wettbewerb. Der Kunde wiederum wird betrogen, weil er statt einem Original-Microsoft-Produkt eine Raubkopie erhält.
  • Mix aus Original und Fälschung: In jüngster Zeit sind manche Händler dazu übergegangen, echte vollständige Microsoft-Computerprogrammpakete in ihre Einzelbestandteile wie Datenträger, Handbücher, Umverpackungen, Registrierungskarten und Echtheitszertifikate etc. zu zerlegen und einzeln zu verkaufen. Auf diese Weise werden aus einem Original mehrere (nur) vermeintlich echte Produkte gemacht und der Umsatz vervielfacht. Dieser Handel mit Einzelbestandteilen ist schon mehrfach gerichtlich unter dem Aspekt der Markenverletzung untersagt worden. Soweit der Händler diese Einzelbestandteile als Lizenz anbietet, liegt darüber hinaus eine Verletzung des in § 69 c UrhG ausdrücklich geregelten "Gestattungsrechts" vor, mit der Folge, dass dann auch eine Urheberrechtsverletzung gegeben ist. Haftbar ist in all diesen Fällen nicht nur der Händler, der diese manipulierten Produkte anbietet, sondern auch jeder Kunde, der solche "Produkte" erwirbt und auf dieser Grundlage die Software installiert und nutzt, denn ihm fehlt die für die Nutzung notwendige Lizenz. Um Beschwerden von Kunden über unvollständige Lieferungen zu vermeiden, packen manche Händler die echten Einzelbestandteile mit anderen gefälschten oder nicht dazu gehörigen echten Einzelbestandteilen zusammen, was beides unzulässig ist.
  • Andere Probleme: Digitale Piraterie, Misslicensing, Parallelimporte, Piracy bei Embedded Systems (elektronische Rechner oder auch Computer, die in einen technischen Kontext eingebunden (eingebettet) sind, wie z. B.: in Geräten der Medizintechnik, Waschmaschinen, Flugzeugen, Kraftfahrzeugen, Kühlschränken, Fernsehern, DVD-Playern, SetTopBoxen, Mobiltelefonen) sowie gebrauchte Software sind nur ein paar weitere Stichworte.

3. Täterstrukturen und Handelswege
Neben lokalen Auktionsplattformen werden auch international weniger bekannte Handelsbörsen im Internet genutzt, um mit Plagiaten zu handeln. Die Praxis der Hersteller von Plagiaten in Asien auch in kleineren Mengen zu liefern, führte in den letzten Jahren dazu, dass sogar vorher nur privat handelnde Kunden vermehrt in die Versuchung gerieten, direkt in Asien online einzukaufen und hier in Deutschland dann wieder zu verkaufen. Das früher notwendige spezielle Täter-Know-how um Lieferanten, Handels- und Zahlungswege entfällt mehr und mehr, so dass völlig neue und vor allem in der Anzahl auch stark zunehmende Täterkreise entstanden sind. Das böse Erwachen für diese eher unprofessionellen lokalen Händler findet spätestens dann statt, wenn der Gerichtsvollzieher die Wohnung im Rahmen der Zustellung einer Einstweiligen Verfügung durchsucht und dem Täter auch durch einen Blick auf die Berechnung des Schadenersatzes schnell klar wird, dass es sich bei diesen schnellen Geschäften wohl doch nicht um Kavaliersdelikte handelt. Der vermehrte Einsatz von Testkäufern durch Ermittlungsbehörden oder Herstellerfirmen selbst hat inzwischen dazu geführt, dass einige illegale Händler nur noch per Direktverkauf arbeiten. "Stammkunden" werden telefonisch kontaktiert oder persönlich mit der Ware besucht, um das Infiltrieren von verdeckten Ermittlern zu erschweren. Ein wichtiges Element im Kampf gegen Raubkopiehändler ist auch der gezielte Aufbau und die mittel- bis langfristige Führung und Abschöpfung von Informanten. Selbst in abgeschotteten Täterkreisen finden sich immer wieder Gelegenheiten, Schwachstellen auszumachen und Akteure zu identifizieren, die als Zeugen dienen können.

4. Maßnahmen zur Bekämpfung
Als Inhaber von Marken-, Urheber- oder anderen Schutzrechten gibt es viele Möglichkeiten selbst aktiv zu werden, um den Produktpiraten zumindest das Handwerk wesentlich zu erschweren und die Ermittlungsbehörden bei ihrer Arbeit wirkungsvoll zu unterstützen.

4.1 Entscheidung für eine aktive Bekämpfung
Es mag merkwürdig klingen, jedoch muss auf Geschäftsführungsebene tatsächlich zunächst die Entscheidung getroffen werden, ob man das Problem der Produkt- und Markenpiraterie tatsächlich aktiv und nachhaltig bekämpfen möchte. Die Gründe dafür können je nach Branche und finanzieller Lage des Unternehmens vielschichtig sein. Ein Anti-Piracy-Programm aufzubauen, bedeutet nicht nur eine Investitionsentscheidung zu treffen, sondern auch langfristig Budget einzuplanen und das Programm konsequent zu betreiben. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, ein solches Programm würde sich ohne Weiteres durch hohe Schadensersatzzahlungen der überführten Täter selbst finanzieren. Eine Anti-Piracy-Abteilung als ertragsreiches Profitcenter ist eine seltene Erscheinung. Schwer zu kalkulieren, jedoch unbedingt in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist, dass ein Anti-Piracy-Engagement und damit verbundener Ermittlungsdruck natürlich positive Effekte auf den Gesamtumsatz des Unternehmens hat.

4.2 Schutzrechte sichern
Eine Bekämpfung der Produktpiraterie ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn die fraglichen Waren rechtlich gegen Nachahmung geschützt sind. Technische Erfindungen können über Gebrauchsmuster und Patente geschätzt werden. Die Gestaltung, also das Design eines Produktes können über Geschmacksmuster und das Urheberrecht geschützt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen wird Produkten auch über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Schutz gegen Nachahmung gewährt. Selbstverständlich können für Waren und Dienstleistungen auch Marken eingetragen werden. Jedes Unternehmen, das Produktpiraterie zu befürchten hat, sollte sich also schon vor der Markteinführung Gedanken über eine Schutzrechtsstrategie machen. Hierbei arbeiten die für die Produktentwicklung zuständige Fachabteilung in der Regel mit der Marketingabteilung und der Rechtsabteilung bzw. externen Anwälten/Patentanwälten zusammen.

4.3 Strategie festlegen
Bei Microsoft hat sich als Anti-Piracy-Programm ein Drei-Säulen-Modell bewährt. Die Bereiche Engineering, Education und Enforcement bilden die Grundlage dafür. Abhängig von der jeweiligen Branche sollte man sich als Unternehmen entscheiden, ob man im Teilbereich Enforcement strategisch eher gegen Endkunden vorgehen möchte, die Plagiate nutzen oder gegen Händler solcher Waren, bzw. gegen die Hersteller der Raubkopien. Gerade das Vorgehen gegen Hersteller kann selbst bei hohem Kosteneinsatz manchmal wenig bewirken. Dies merkt ein Unternehmen spätestens dann, wenn nach jahrelanger Ermittlungsarbeit, sogar nach Festnahmen und Verurteilungen in China, die Plätze der aus dem Rennen geworfenen Piraten längst von anderen Kriminellen wieder eingenommen wurden und die Menge an Raubkopien im Markt nicht signifikant abnimmt. Anders sieht es in lokalen Märkten aus, denn bei hohem Ermittlungsdruck wird die Problematik vor Ort eingedämmt und Schwarzhändler konzentrieren sich dann auf andere Marken, die sich gar nicht oder nur mit mäßigem Engagement um die Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie kümmern.

4.4 Infrastruktur aufbauen
Zu einer Anti-Piraterie-Abteilung gehören geschulte Experten, die in der Lage sind, bei Fragen von Kunden, Händlern, der Polizei oder des Zolls, gerichtsfest sagen zu können, ob es sich bei den eingesandten Produkten um Plagiate oder doch um Originale handelt. Daneben sollte je nach Größe des Unternehmens sich auch in der Rechtsabteilung ein Jurist der Thematik widmen. Die Kombination aus Inhouse-Attorney und externer Kanzlei ist gerade auch unter Kostengesichtspunkten eine gute Kombination. Nicht jeder Kunde, der ein gefälschtes Produkt erworben hat, ist sich dessen auch bewusst. Weil Hinweise von Kunden oft wertvolle Ermittlungsansätze bieten, empfiehlt sich die Einrichtung einer Hotline, z.B. per E-Mail. Microsoft bietet über die E-Mailadresse piracy@microsoft.com diesen Service an. Darüber hinaus hat Microsoft für Fachhändler und Endkunden einen Produktidentifizierungsservice (PID-Service) eingerichtet. Dort werden verdächtige Produkte, die mit der Bitte um Überprüfung an Microsoft gesandt werden, auf Echtheit überprüft.

Ob ein eigener Detektiv angestellt wird, der die Ermittlungsarbeit koordiniert, also das Investigations-Management betreibt, hängt letztlich vom Volumen des Schadens, der abzudeckenden Region und der Anzahl der Fälle ab. Warum Detektive nützlich sein können, zeigt auch das Bild einer typischen Versandanschrift eines Schwarzhändlers, um die Strafverfolgung zu erschweren.

4.5 Geeignete Dienstleister auswählen
Anwaltskanzleien
Je nach Umfang, Art der Fälle und gewählter Strategie des Unternehmens wäre zu überlegen, ob man für zivil- und strafrechtliche Aktionen unterschiedliche und entsprechend spezialisierte Kanzleien wählt.

Detekteien
Nicht für jede Unternehmensgröße sind eigene Mitarbeiter für Ermittlungsaufgaben wirtschaftlich. Hier bietet sich die Zusammenarbeit mit externen Detekteien an. Die unterschiedlichsten Ermittlungsaufgaben, die mit der Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie zusammenhängen, lassen sich kaum mit einer einzigen Detektei als Dienstleister realisieren. Benötigt werden verdeckt arbeitende Testkäufer mit einem Netzwerk an Variationsmöglichkeiten, denn Testkäufer sind schnell "verbrannt", sobald die Erkenntnisse aus einem solchen Kauf juristisch verwendet wurden und die Erfahrung zeigt, dass in Täterkreisen Listen über Testkäufer kursieren. Ermittler sollen auch bei Backgroundchecks und Vermögensrecherchen zuarbeiten. Ohne "Asset Tracing" nutzt einem der schönste Titel nichts, wenn man nicht weiß, wo der Täter das Geld versteckt oder investiert hat. Einfachere Abklärungen helfen bei der Entscheidung, ob und wie gegen bestimmte Täter vorgegangen wird. Daneben sind "Undercover"-Ermittlungen nötig und je nach Bedarf die nationale und internationale Vernetzung mit anderen verlässlichen Detekteien. Dies zeigt, dass eine einzige Detektei nur schwerlich auf dieses Deliktsfeld alleine spezialisiert sein kann.

Gerade in Fällen von organisierter Bandenkriminalität und internationalen Fälscherringen ist schon aus Sicherheitsgründen die Einschaltung von Spezialisten angezeigt. Der Einsatz solcher Ermittler schließt die Einbindung der Strafverfolgungsbehörden natürlich nicht aus. Im Gegenteil: Der Einsatz von Detekteien ermöglicht es, Hinweisen nachzugehen und weitere Erkenntnisse zu sammeln und auszuwerten, damit die Ermittlungsbehörden schon aufgrund der Strafanzeige ein möglichst umfassendes Bild erhalten. Ein externer Ermittler ist nur so gut, wie die von ihm ermittelten Informationen vor Gericht auch jeglicher Überprüfung Stand halten. Eine exakte Berichtsführung, die ausschließlich Fakten beinhaltet und keine Meinungen wiedergibt, ist ein guter Hinweis auf eine solide arbeitende Detektei. Hat man sich für einen solchen Dienstleister entschieden, empfiehlt sich noch eine kurze, schriftlich fixierte Vereinbarung, die sicherstellt, dass nur solche Ermittlungsmethoden zum Einsatz kommen dürfen, die nicht nur legal sind, sondern auch im Einklang mit der jeweiligen Firmenphilosophie stehen. Berufsverbände der Detekteien wie der BID - Bund Internationaler Detektive e.V. als auch der BDD - Bundesverband Deutscher Detektive e.V. sind eine erste Anlaufstelle zur Auswahl von Detekteien, ersetzen jedoch nicht Referenzen und persönliche Gespräche.

4.6 Marktbeobachtung
Verschiedene Unternehmen bieten speziell das Monitoring von Online Märkten und Auktionsplattformen an. Die daraus erzielbaren Erkenntnisse sind recht interessant, da verdächtige Angebote durch besondere Verfahren herausgefiltert werden müssen, denn alleine bestimmte Preislevel, Bilder oder Produktbeschreibungen sind heute kein Selektionskriterium mehr, um ein Angebot als verdächtig einstufen zu können. Die Angaben zu erfassten Umsätzen und Aktionszeiten helfen bei der Fokussierung und Selektion von Tätergruppen.

4.7 Problemerfassung und Beweissicherung
Hat eine Raubkopie ihren Weg zum Rechteinhaber gefunden, ist es unerlässlich, das Beweisstück zu sichern, also die "Chain of Custody" sicherzustellen und eine verlässliche und belastbare Aussage des Einsenders zu erhalten z.B. durch Unterzeichnung einer Eidesstattlichen Versicherung durch den Einsender über den Kaufvorgang.

4.8 Zivil- oder strafrechtliche Aktionen
In Abhängigkeit von der jeweiligen Firmenstrategie in Sachen Anti-Piraterie reichen die Möglichkeiten von einem einfachen "warning letter", der nur eine Art Mahnung darstellt über die Abmahnung und einer einstweiligen Verfügung bin hin zum Strafantrag bei den zuständigen Staatsanwaltschaften. Die wichtigsten Ansprüche sind der (in die Zukunft) gerichtete Unterlassungsanspruch, der Auskunftsanspruch, der Folgenbeseitigungsanspruch, der Schadenersatzanspruch, der Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung. Besonders zu beachten ist der sogenannte Besichtigungsanspruch. Dieser ermöglicht es dem Rechteinhaber in den Fällen, in denen er noch nicht sicher ist, ob seine Rechte verletzt werden, sich über etwaige Verletzungshandlungen Gewissheit zu verschaffen, in dem er eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es ihm ermöglicht, potentiell rechtsverletzende Gegenständen zu untersuchen. Auf diese Weise können auch Verletzungsgegenstände, die nicht ohne weiteres zugänglich sind, etwa patentverletzende Maschinen oder Firmennetzwerke mit nicht lizenzierter Software, untersucht werden. Ist davon auszugehen, dass ein Verletzer einen erheblichen Schaden verursacht hat, kann dessen Vermögen unter bestimmten Umständen auch vorab gepfändet werden, um die bestehenden Schadenersatzansprüche zu sichern.

Manchmal bietet sich aber auch an, einen Ermittler direkt zu einem Täter für ein persönliches Gespräch, einem so genannten "Knock & Talk Visit" zu schicken. Solche Überraschungsbesuche sind gerade auf den unteren Ebenen der Handelstufen oft sehr ertragreich an Informationen.

5. Zuständigkeiten bei den Ermittlungsbehörden
5.1 Zoll

Zu den gesetzlichen Aufgaben des Zolls gehört unter anderem die Einhaltung der Verbote und Beschränkungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr zu kontrollieren. Damit kommt dem Zoll eine wesentliche Aufgabe bei der Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie zu. Grenzbeschlagnahme ist das gängige Stichwort, wenn es um das konkrete Tätigwerden zu Gunsten von Rechteinhabern geht. Der Zoll ist mit seinen Kontrollen im gewerblichen Rechtsschutz umfangreich tätig. Die einzelnen Schutzrechte bilden die Grundlage für das Tätigwerden der Zollbehörden. Die Zollbeamten werden allerdings nicht nur an den Grenzen und auf den Flughäfen kontrollierend tätig, sondern auch im Binnenland, beispielsweise mit mobilen Einsatzkräften auf Verkehrswegen wie z.B. Autobahnen. Als wichtige organisatorische Maßnahme zur wirkungsvollen Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie wurde im Februar 1995 die Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz (ZGR) aufgebaut. Diese zentrale Servicestelle der Zollverwaltung gehört zur Oberfinanzdirektion in Nürnberg und hat ihren Sitz in München. Die ZGR koordiniert bundesweit die so genannten Grenzbeschlagnahmeverfahren und hält die zentrale Datenbank "E-Agent" vor. In diesem Informationssystem sind Abbildungen und relevante Erkennungsmerkmale von geschützten Produkten abgespeichert. Aber nicht nur zu Waren, sondern zu allen Schutzrechten werden hier charakteristische Informationen vorgehalten. Damit die Zöllnerinnen und Zöllner vor Ort auch auf einen ausreichenden Datenpool zurückgreifen können müssen die Rechteinhaber und betroffenen Unternehmen auch alle relevanten Informationen für den "E-Agenten" zur Verfügung stellen. Dies geschieht mit einer Antragstellung, die inzwischen auch elektronisch geschehen kann. Nahmen vor wenigen Jahren nur 300 Unternehmen an dem Verfahren teil, so sind es mittlerweile schon über eintausend deutsche Unternehmen, die einen solchen Antrag gestellt haben. Wird eine Sendung vom Zoll festgehalten, wird eine AdÜ (Antrag der Überlassung) an den Rechteinhaber geschickt. Darin sind Angaben zu Versender, Empfänger, Produkten und Mengen der Warensendung enthalten. Das Unternehmen hat dann die Möglichkeit die Sendung zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen einzuleiten.

5.2 Zollkriminalamt (ZKA)
Eine weitere wichtige zentrale Einrichtung des Zolls bei der Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie ist das Zollkriminalamt (ZKA). Diese Bundesbehörde mit Sitz in Köln ist die Zentralstelle für die acht Zollfahndungsämter mit ihren 24 Außenstellen und fungiert auch als Zentralstelle für das Auskunfts- und Nachrichtenwesen der Bundeszollverwaltung. Die Arbeit der acht Zollfahndungsämter in Berlin, Dresden, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart wird durch das ZKA koordiniert. Sofern erforderlich, insbesondere bei besonders bedeutenden Fällen, wird das ZKA auch selbst ermittelnd tätig. Da in vielen Deliktbereichen, wie auch bei der Marken- und Produktpiraterie, internationale Täterstrukturen dahinter stecken, kommt dem ZKA die Koordinierungsaufgabe mit ausländischen Stellen zu. Hierfür sind Verbindungsbeamte nicht nur im europäischen Ausland, sondern weltweit eingesetzt und stellen die Kontakte zu den jeweiligen zuständigen Behörden und Stellen vor Ort sicher. Zollverbindungsbeamte sind überwiegend in operativen Bereichen tätig. Dazu gehören die Informationsgewinnung genauso wie die Mitwirkung bei Fahndungs-und Ermittlungsaufgaben. Die Verbindungsbeamten sind der deutschen Botschaft zugeordnet und sind gleichzeitig diplomatischer Repräsentant der Zollverwaltung.

Innerhalb der Europäischen Union ist die Zusammenarbeit besonders eng. Auf der praktischen Ermittlungsebene bedeutet dies die gemeinsame Nutzung von Informationssystemen und europaweite Kontrollaktionen. Deutsche Zollfahndungsbeamte beteiligen sich an Ermittlungsoperationen anderer europäischer Zoll- und Sicherheitsbehörden und umgekehrt. Die Zusammenarbeit geht so weit, das auch bei Gerichtsverfahren im Ausland deutsche Zöllner als Zeugen oder Sachverständige aussagen.

6. Verbände und Organisationen
Inzwischen nehmen sich eine Reihe von Verbänden, Organisationen und Unternehmerverbänden dem weltweiten Problem der Produkt-und Markenpiraterie an und bieten betroffenen Firmen Unterstützung. 1997 gründeten der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Markenverband und der Bundesverband der Industrie (BDI) den Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM e.V.). Ein umfangreiches Internetangebot zum Thema findet sich auch bei BASCAP Business Action to stopp Counterfeiting and Piracy. Für die Softwarebranche und ihre Hardwarepartner gibt es die Non-Profit-Organisation Business Software Alliance. Der Verband hat seinen Hauptsitz in Washington DC und ist in über achtzig Ländern aktiv. Im Bereich der Film- und Entertainmentsoftware hat sich der Verein GVU - Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. gegründet, deckt Urheberechtsverletzungen auf und unterstützt Strafverfolgungsbehörden. Auf der Website des Bundesministerium der Justiz gibt es Informationen und Links zu internationalen Organisationen, die im Kampf gegen Produktpiraterie tätig sind.

7. Erfolgreiche Aktionen in China
Hat man denn als Rechteinhaber überhaupt eine Chance gegen Raubkopierer aus dem fernen Osten? Bei dem eingangs erwähnten Fall wurde bereits aufgezeigt, dass es durchaus möglich ist, gegen Raubkopierer auch in China vorzugehen. In einem anderen, sogar noch spektakuläreren Fall gelang es Microsoft, einen ganzen Ring von Raubkopierern auszuheben und der chinesischen Gerichtsbarkeit zuzuführen. Die Erfolgsfaktoren hier liegen im Case Management. Angefangen von umfangreichen Produktüberprüfungen, Auswertung von Hinweisen und der Beweissicherung, kam später auch der massive Einsatz von privaten Ermittlern zum Zuge. Testkäufe sowie etliche "undercover operations" über mehrere Jahre hinweg ermöglichten es Microsoft, den Fall gemeinsam mit internen und externen Anti-Piracy-Anwälten soweit aufzubereiten, dass man diesen als Paket dem amerikanischen FBI in Los Angeles übergeben konnte. Das FBI konnte sodann die zuständigen chinesischen Behörden, hier insbesondere das Public Security Bureau (PSB) überzeugen, sich dieses komplexen Falles anzunehmen. Im Juli 2007 endete der bis dato für Microsoft größte und mit 500 Millionen US-Dollar der schadenträchtigste Pirateriefall mit zeitgleichen Durchsuchungen in verschiedensten Städten in der südchinesischen Provinz Guangdong und etlichen Verhaftungen. Die Gerichtsurteile als Folge dieser erfolgreichen Zusammenarbeiten zwischen Industrie und Strafverfolgungsbehörden auf weltweiter Ebene endeten mit für chinesische Verhältnisse hohen Haft- und Geldstrafen.

Literatur:

  • BSA Business Software Alliance (2008). Sixth Annual BSA and IDC Global Software Piracy Study, 2008.
  • LG Frankfurt: Vertrieb bloßer Registrierkarten als Lizenz, 2-03 O 868/06, (LG Frankfurt Entscheidung vom 5.1.2007).
  • LG Frankfurt: Vertrieb gefälschter Lizenzverträge, Az.: 2-03 O 442/07 (LG Frankfurt 09.10.2007).
  • LG Frankfurt: Vertrieb von Echtheitszertifikaten als Lizenz, Az.: 2/3 O 599/08, (bestätigt durch OLG Frankfurt (MMR 2009, 544)).
  • LG Frankfurt: Vertrieb von Seriennummern als Lizenz, (CR 2009, 42). Wolff-Rojczyk, O. (2007). Effiziente Schadenswiedergutmachung für geschädigte Unternehmen der Marken- und Produktpiraterie; in: Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 2007, (Co-Autor Hauke Hansen), S. 468 - 475.

Quelle: H.-Joachim Rosenögger: Produkt- und Markenpiraterie: Erfahrungen aus Unternehmersicht. In: Stefan Bisanz, Uwe Gerstenberg: Raubritter gegen den Mittelstand. Security Explorer: Essen, 2009, S. 91 - 110.

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