Das Phänomen der Online-Radikalisierung wurde sowohl durch die Reisefreiheit als auch durch die verstärkte Nutzung sozialer Medien beschleunigt. Durch die Zusammenarbeit, das Teilen der Erfahrungen und der diversen Ansätze können Strafverfolgungsbehörden dem Phänomen der Online-Radikalisierung gemeinsam begegnen.

Am 23. Mai 2013 wurde in Woolwich, einem Londoner Vorort südöstlich der Stadt, Lee Rigby erstochen. Der Trommler des Royal Regiment of Fusiliers  ging außerhalb der Kaserne spazieren(1). Als er in Richtung Artillery Place ging, fuhr ihn ein Auto auf den Bürgersteig an. Zwei Insassen sprangen aus dem Fahrzeug, griffen Rigby an und töteten ihn mit einem Beil und einem Messer(2). Ohne jegliche Vorwarnung vor dem Angriff aus dem Hinterhalt hatte der unbewaffnete Rigby keine Chance, sich zu verteidigen oder zu entkommen. Nach dem Angriff haben die beiden Angreifer, Michael Adebowale, 22 Jahre, und Michael Adebolajo, 28 Jahre, den leblosen Körper von Rigby in die Mitte der Strasse gelegt und angefangen, mit Passanten zu diskutieren, die hinsehen sollten, was gerade passiert war(3). Als bewaffnete Polizisten am Tatort eintrafen, rannten die beiden Täter auf diese zu und schwenkten ihre Waffen. Die Polizisten schossen und nahmen die beiden Täter anschließend für den Mord an einem Angehörigen der britischen Streitkräfte in Gewahrsam.

Die öffentliche Ermordung von Lee Rigby wurde im Vereinigten Königreich schockiert aufgenommen. Seine Verletzungen waren so schwer, dass er nur mit Hilfe eines forensischen zahnärztlichen Gutachtens identifiziert werden konnte(4). Sein Tod verstärkte die unorganisierte, formlose Bedrohung von nicht hierarchischen terroristischen Zellen radikalisierter Individuen, die sich Al-Qaida nahe fühlen. Bürger, welche die Ermordung von Rigby als Zeugen beobachteten, gaben ihre Informationen an die Presse weiter und fungierten als Beweissammler. Ihre Bilder von der Tat und vom Tatort gingen an diverse Fernsehstationen und in soziale Netzwerke. Sie haben die Motivation und Rechtfertigung der Terroristen für den Mord an dem britischen Soldaten auf ihren Smartphones festgehalten, sodass es schon kurz nach dem Anschlag eine enorme Fülle an Kommentaren in sozialen Netzwerken zur Ermordung des Soldaten gab. Die meisten Kommentare und der Großteil der Medienberichterstattung waren hinsichtlich der Grausamkeit, die begangen worden war, betroffen und ausgeglichen. Die Tat hat in kurzer Zeit eine Online-Diskussion ausgelöst, die auch sehr schnell von gewaltbereiten Extremisten aus allen Seiten des politischen Spektrums aufgenommen wurde, welche ihre eigenen Ideologien verbreiteten. Das Posten von extremen und „Hardline“-Ansichten trug kaum dazu bei, die öffentliche Meinung über die Hintergründe dieses terroristischen Anschlags aufzuklären.

Während Extremisten den Anschlag als Begründung für ihre Ideologie missbrauchten, um auf ihre speziellen Anliegen oder Missstände hinzuweisen, haben andere Online-User Kommentare veröffentlicht, welche verheerende Folgen haben können. Einer davon wurde von Deyka Ayan Hassan, einer 21-jährigen Studentin der Fächer Englisch und politische Wissenschaft der Kingston University, geposted(5). Hassan kontaktierte die Polizei, nachdem sie hunderte Tweets erhalten hatte, in denen ihr der Tod oder Vergewaltigung nach dem Anschlag auf Rigby angedroht wurde. Die Polizei verhaftete Hassan, als sie zugab einen Tweet gesendet zu haben, in dem sie aufgrund der Berichterstattung von Usern im Netz einen „Witz“ bezüglich der Kleidung des Opfers gemacht hatte. Als er ermordet wurde, hatte Rigby ein T-Shirt an, auf dem „Help for Heroes“ stand. Dieses wird von einer Hilfsorganisation vertrieben, um Rückkehrern der Armee aus Krisengebieten mit dem Erlös zu helfen. Hassan hat eine Tweet geposted, welcher lautete: „Wenn du ein Help for Heroes T-Shirt trägst, verdienst du es, geköpft zu werden“(6). Dieser Tweet entfachte eine so immense Reaktion im britischen rechtsextremistischen Spektrum, dass Hassan um ihre Sicherheit fürchtete und sich entschloss, die Angelegenheit der Polizei zu melden. Ein Gericht in London verurteilte Hassan im Juni 2013 zu 250 Stunden Sozialarbeit für das Senden einer böswilligen elektronischen Nachricht. Der vorsitzende Richter Nigel Orton sagte, Hassan hätte auch zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden können, aber sie haben berücksichtigt, dass Hassan angab, nicht zu wissen, dass das Opfer tatsächlich ein Soldat war. Auch wurde berücksichtigt, dass Hassans Vater sich aktiv in Organisationen gegen Extremismus einsetzt und kürzlich als Berater für Diversität bei der Metropolitan Police eingesetzt war(7).

Nach dem Attentat an Rigby in London wurde eine Online-Plattform von extremistischen Gruppen eingerichtet, welche für radikale Ideen eintraten. Damit wurde ein Schlachtfeld zwischen den „Guten“ und den „Bösen“ eingerichtet und während einige Online-Stimmen die extremistische Protagonisten widerlegen wollten, waren die moderaten Stimmen eher leise. Sie kamen nicht gegen die Fülle der negativen extremistischen Kommentare an und es fehlte ihnen an Nachhaltigkeit und Popularität, um gegen die Extremisten vorzugehen, welche die Ermordung des britischen Soldaten verteidigten. Die angemessene und neutrale Berichterstattung wurde im Netz von Extremisten gekapert. Die Diskussion wurde in sozialen Netzwerken von denen besetzt, die mehr Wert auf einer Spaltung der Gesellschaft legen, als diese in den Zeiten einer Krise zu vereinen. Zudem bot sich hier durch den Anschlag auf einen britischen Soldaten auf heimischen Boden eine Möglichkeit für Cyberterroristen weitere leicht zu beeinflussende Mitglieder der Gesellschaft zu rekrutieren.

Online-Radikalisierung
Die Ermordung von Lee Rigby bestätigt, was bereits europaweit Sicherheitsbehörden bekannt war: Die Bedrohung durch den zeitgenössischen Terrorismus kommt aus vielen unterschiedlichen Quellen, sowohl aus anderen Staaten als auch innerhalb der eigenen Grenzen. Das Entstehen des sogenannten home-grown Terrorismus und des „Nachbarschaftsterrorismus“ wurde mittlerweile von vielen Sicherheitsbehörden in Europa erkannt. Die Maßnahmen reichen von regionalen Programmen bis hin zu internationalen Programmen, um die Bevölkerung vor derartigen Anschlägen zu schützen.

Die primäre Herausforderung, dem zeitgenössischen Terrorismus in Europa zu begegnen, liegt in der steigenden Bedeutung des Internets für die Rekrutierung von neuen Terroristen, der Radikalisierung und der Anschlagsplanung. Die terroristische Bedrohung hat zugenommen, da Personen online radikalisiert, Terroristen rekrutiert sowie online trainiert werden und die Präsenz der Polizeien wie anderer Sicherheitsdienste im Vergleich hierzu im Netz eher gering ist. Die Gegenmaßnahmen zur politischen Gewalt, die traditionell in den meisten Ländern politisch sensibel und geheimdienstlich orientiert sind, haben Strukturen hervorgebracht, welche abgeschlossen, geheim und sehr spezialisiert sind.

Die neueren Entwicklungen im Terrorismus benötigen aber auch neue Antworten der Sicherheitsbehörden. Im modernen Terrorismus nehmen sowohl „normale“ Mitglieder der Gesellschaft als auch ausländische Extremisten teil(8). Die Bandbreite hat sich erweitert und ist nicht mehr ideologisch so leicht zu zuordnen, wie dies in der Vergangenheit noch der Fall war. Der Weg der Prävention terroristischer Aktivitäten ist trotz der Erfolge zur Verhinderung terroristischer Anschläge schwieriger geworden und die Bedrohung durch die Ideologie der Al-Qaida auf dem Gebiet der Europäischen Union ist nach wie vor hoch. Die Beeinflussung durch eine simple Ideologie, wenn diese durch soziale und ökonomische Faktoren begünstigt wird, ist deutlich einfacher und effektiver, wodurch die Gefahr eines „home-grown“ Terrorismus wächst. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verstehen, dass Terrorismus und Extremismus in unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten, und dass die größte Bedrohung nach wie vor vom Netzwerk der al-Qaeda ausgeht, deren Unterstützung und Propaganda über das Internet agiert. Ohne das Internet würde die neue Form der Al-Qaida so gar nicht existieren können.

Keine Gesellschaft kann sich als immun vor extremistischen Strömungen behaupten, auch nicht vor islamistischen Strömungen, die in die Fußstapfen von Al-Qaida treten wollen. Viele Mitgliedsstaaten der Europäischen Union teilen verschiedene Erfahrungen mit der Radikalisierung und den daraus resultierenden Herausforderungen für die öffentliche Sicherheit.  Hierbei ist es relevant die Faktoren zu erkennen und zu verstehen, die bei den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft zu einer Radikalisierung und letztendlich zu extremistischen Ansichten geführt haben.

In der Bundesrepublik ist der Radikalisierungsprozess von Dennis Mamadou Cuspert hinsichtlich dieser Thematik beachtenswert. Cuspert wurde in Berlin Kreuzberg als Sohne einer Deutschen und eines Ghanaers geboren. Sein Vater verließ die Familie kurz nach Denis’ Geburt(9). Er hatte eine schwierige Jugend und ein sehr gespanntes Verhältnis zu seinem Stiefvater, einem ehemaligen Mitglied der US-Army. Bereits im Alter von acht Jahren begann Cuspert seine kriminelle Karriere mit Diebstählen von Spielzeugautos. Später als Teenager war die Gang, in der er Mitglied war, am Drogenhandel und an bewaffneten Raubüberfällen beteiligt. Nachdem er einem Freund mit einer Gaspistole ins Gesicht geschossen hatte, wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt, wo er sich entschloss, eine neue Karriere als Rap Musiker zu beginnen(10).

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis änderte er seinen Namen in Deso Dogg und wurde ein lokal erfolgreicher „Gangsta Rapper“. Seine neu gegründete Karriere dauerte bis 2009 und obwohl er nie die Spitzenplätze in den Charts eroberte, war er durchaus in der Szene bekannt und auch unter seinesgleichen erfolgreich, akzeptiert und hatte einen festen Stamm an Fans. Während seiner musikalischen Karriere hatte er Kontakt mit Leuten aus dem Umfeld radikal islamistischer Gruppen wie der türkischen Kaplan-Gruppe (Khalifat-Staat), der Hizb ut-Tahrir und der Tablighi-Jama’at(11). Im Jahre 2010 verkündete Cuspert seinen Rückzug aus der Musikszene, um sich voll und ganz seiner neuen Berufung als islamistischer Prediger zu widmen. Wiederum änderte er seinen Namen und nannte sich fortan Abu Maleeq. Ein Name, der auf seinen Musikvideos bereits als Tätowierung am Hals erscheint. Führende salafistische Prediger, wie Pierre Vogel, waren der Überzeugung, dass Cuspert eine starke Propagandawirkung auf junge Leute ausüben würde, insbesondere aufgrund seiner Vergangenheit als Musiker. Dies wäre für die Missionsarbeit von großer Bedeutung. Die Hoffnung der Salafisten um Cuspert war, dass seine ehemaligen Fans sich ihrer Auffassung des Islam anschließen würden(12).

Geführt von extremistischen Predigern radikalisierte sich Cuspert zunehmend und suchte die Nähe von Abu Nagie von der Organisation „Die Wahre Religion“. Er begann mit der Propagandaarbeit für die Organisation, in dem er religiöse Gesänge, sogenannte Nasheeds im Internet veröffentlichte, in denen der Djihad verherrlicht wurde. Ab diesem Zeitpunkt war Cuspert von der salafistischen Ideologie voll eingenommen und er produzierte diverse islamistisch-extremistische Propaganda, die ins Internet gestellt wurde. Er baute seine Aktivitäten aus, indem er für eine Organisation namens Millatu Ibrahim arbeitete(13). Während dieser Zeit wurde auch die Polizei auf ihn aufmerksam. Nach einem Attentat in Bonn im Jahr 2012, bei dem ein Polizist bei einer Veranstaltung der rechtspopulistischen Partei „Pro Köln“ während der Unruhen zwischen der Partei und Salafisten von einem Anhänger der salafistischen Bewegung mit einem Messer schwer verletzt wurde, hat die Polizei 80 Wohnungen von mutmaßlichen Salafisten durchsucht. In einer der Wohnungen fand die Polizei eine Sprengstoffweste, die von Cuspert gefertigt wurde. Obwohl die Weste nicht funktionstüchtig war, war sie ein klares Zeichen für die Gewaltbereitschaft von Cuspert(14).

In der Folge dieser gewaltbereiten Auseinandersetzungen und der Durchsuchungen wurde die Organisation Millatu Ibrahim verboten. Cuspert allerdings hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit einigen Gefolgsleuten vermutlich nach Ägypten abgesetzt(15). Im September 2012 veröffentlichte Cuspert ein Video, in dem er alle Muslime in Deutschland dazu aufruft, gegen die deutsche Regierung zu kämpfen und den Djihad nach Deutschland zu bringen.

Bei der Betrachtung von Cusperts Radikalisierungsprozess fällt die Geschwindigkeit auf, in der er sich extreme Ansichten zu eigen gemacht hat. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich in der großen Unterstützung durch andere radikale, extremistische Prediger. Seine Internetbotschaften und Nasheeds könnten weitreichende Konsequenzen hinsichtlich der Radikalisierung anderer haben. So hat im Februar 2011 Arid Uka (22), ein albanischer Moslem, der als gut integriert galt und in Deutschland aufwuchs, am Frankfurter Flughafen zwei US Soldaten getötet und weitere verletzt(16). Während seiner Verhandlung gab Uka an, dass er durch djihadistische Propagandavideos aus dem Internet radikalisiert worden sei. Als Teil der Ermittlungen wurde auch sein Facebook-Profil untersucht, wobei sich herausstellte, dass Uka nur wenige Tage vor dem Anschlag zu einem von Cusperts Videos geschrieben hatte: „Ich liebe Dich für Allah, Abu Maleeq“(17) Der Einfluss von Cuspert als Online Aktivist, Rekrutierer und Radikalisierer wird dadurch belegt. Auch wird dadurch die Macht des Internets hinsichtlich der Transformierung des Terrorismus belegt. Rekrutierung und Radikalisierung finden immer häufiger über das Internet statt, was keine Gesellschaft ignorieren kann.

Zusammenarbeit in Antiterrorstrategien
Das Verstehen, warum Bürger verschiedener Gesellschaften in Europa sich extremistischen Ideen zuwenden und das Kreieren einer Alternative, um diesem zu widerstehen, ist eine der Prioritäten des Anti-Terrorismus-Apparates der einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Das Bedürfnis nach glaubwürdiger und handlungsverwertbarer Information, um den Terrorismus zu beobachten und zu verhindern, tritt nun mehr in den Vordergrund und wird zu den eher traditionellen Gegenstrategien der Strafverfolgung hinzugefügt. Die Notwendigkeit der Neubeurteilung und das Reagieren auf neue Trends ist ein zentrales Element in der Antiterrorstrategie vieler Staaten der Europäischen Union. Dies spiegelt auch das Bedürfnis nach einem erhöhten Bedarf an präventiven Maßnahmen wieder. Die Prävention von Terrorismus als ein Hauptaugenmerk der Polizeiarbeit und der Arbeit der Kommunen hat hinsichtlich der Lokalisierung der Problematik und der Verbreitung dieser Prävention große Sprünge in der Eindämmung der politisch motivierten Gewalt gemacht.

Terrorismus und politische Gewalt auf einer lokalen und nationalen Ebene zu verhindern, wurde vom Justice and Home Affairs Council of the European Union als relevantes Ziel erkannt, welches durch die Einführung der Antiterror-Strategie der Europäischen Union belegt wird, welche im Dezember 2005 ins Leben gerufen wurde. Die Strategie fußt auf vier Säulen: Verhinderung, Schutz, Verfolgung und Reaktion. Dies wurde von den Staatschefs und den Regierungen der Mitgliedsstaaten verabschiedet. Diese paneuropäische Strategie sollte den Aktionsplan des Europäischen Rates – European Action Plan on Terrorism – vom März 2004 in die nächste Phase bringen. Die Strategie soll „Terrorismus weltweit unter Beachtung der Menschenrechte bekämpfen um Europa sicherer zu machen und seinen Bürgern erlauben in einer Region von Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit zu leben.“(18)

Die Erkenntnis, dass internationaler Terrorismus ein transnationales Phänomen aufgrund seiner Definition ist, führt dazu, dass die Europäischen Kommission die sich intensivierenden Kooperationen der Mitgliedsstaaten koordiniert und stärkt. Dies beinhaltet die Stärkung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung terroristischer Radikalisierung durch deren Identifizierung, des Austauschs von Waren und Informationen und der lokalen Gegenstrategien. Die Rolle der Europäischen Kommission beinhaltet den Schutz der Bürger vor terroristischen Bedrohungen aber vor allem, dass es für alle Behörden einen gemeinsamen Ansatz innerhalb der Europäischen Union zu dessen Bekämpfung geben muss. Da der Schutz des Bürgers eine absolute Notwendigkeit ist, erscheint dieser Ansatz ambitioniert und dient der Vereinheitlichung der Antiterrorstrategien. Kommunales Engagement, vernetztes Agieren zwischen diversen Behörden und die öffentliche Sicherheit als Prämissen des Handelns sind in den meisten Mitgliedsstaaten bereits Bestandteile der Kooperation zwischen Polizei und anderen Institutionen. Viele Polizisten, nicht nur die aus den Antiterroreinheiten, sind Bestandteil dieser Herausforderung. Antiterrorstrategie ist jetzt nicht mehr nur eine Angelegenheit der Spezialeinheiten, sondern der gesamten Polizei, ihrer strategischen Partner und der Öffentlichkeit.

Hinsichtlich der Gegenmaßnahmen der Online-Radikalisierung, insbesondere der Bedeutung, die soziale Netzwerke nach einem terroristischen Anschlag haben, haben fünf Organisationen innerhalb der Europäischen Union ihre Bemühungen verknüpft, unterstützt vom Prevention of and Fight against Crime Programme of the European Commission Directorate General Home Affairs. Die Expertisen werden von der North East Counter Terrorism Unit of West Yorkshire in Großbritannien, dem Fachbereich Polizei, der Fachhochschule für öffentlichen Verwaltung und Rechtspflege in Bayern, dem European Institute in Bulgarien, der Polizei und Grenzpolizei in Estland, und dem Antiterrorzentrum in Ungarn untereinander ausgetauscht. Diese arbeiten zusammen, um eine gemeinsame Lösung zu finden, um Kommunen zu stärken, radikale oder terroristische Rhetorik in sozialen Netzwerken zu begegnen. Das strategische Ziel wird im Titel des Forschungsprogramms deutlich: Social Media Anti-Radicalization Training for Credible Voices (SMART-CV).

Das Ziel von SMART-CV ist die Entwicklung eines Trainingsprogramms, das an die Bedürfnisse einer Kommune angepasst werden kann und welches eine Grundlage für die Ausbildung sogenannter glaubwürdiger Stimmen im Rahmen einer Deradikalisierung, beziehungsweise einer Prävention der Radikalisierung ist. Die Trainingseinheit soll das Bewusstsein für die Bedeutung von sozialen Netzwerken bei der Radikalisierung erhöhen und auch deren Vorteile der Nutzung von sozialen Netzwerken bei der Prävention nach einem lokalen, nationalen und internationalen terroristischen Anschlag herausstellen. Die Zielsetzung dieses Forschungsprojekts stimmt überein mit den Zielen des Prevention of and Fight against Crime Programme  der Europäischen Kommission durch die Stimulation, das Vorantreiben und die Entwicklung horizontaler Methoden und Vorgehensweisen, welche für die strategische Bekämpfung und Prävention von Terrorismus notwendig sind. Durch die Publizierung von Gegenansichten sind kommunale Teilnehmer, die an dem Programm SMART-CV teilnehmen, in der Lage, präventiv einzugreifen und Online-Radikalisierung zu minimieren. Da soziale Medien von denjenigen missbraucht werden, die Leute für ihre radikalen Ziele rekrutieren wollen, nutzt SMART-CV dieselben Netzwerke, um die öffentliche Sicherheit zu schützen und radikalen einzelnen Stimmen in diesen Netzwerken professionell zu begegnen, um einer Radikalisierung anderer Teilnehmer vorzubeugen.

Glaubwürdige Stimmen
Relevant in diesem Kontext ist, dass Mitglieder der Gesellschaft oder der Kommunen eine wichtige Rolle in der Prävention der Radikalisierung von Einzelnen spielen können. Eine der wesentlichen Aufgaben von SMART-CV ist es, die glaubwürdigen Stimmen (Credible Voices) innerhalb einer Gemeinschaft zu identifizieren, zu unterstützen und zu trainieren. Eine glaubwürdige Stimme ist eine Person, eine Gruppe oder eine Organisation, welche allgemein und offen eine Gemeinschaft, Gesellschaft oder eine Kommune repräsentiert und in der Lage ist, positive Schlüsselnachrichten zu kommunizieren. Sie sollten ihr volles Potential ihrer Reichweite, ihres Einflusses, ihrer Position und ihres sozialen Status ausnutzen, um radikalen Äußerungen in sozialen Netzwerken zu widersprechen und diese zu widerlegen. Dabei sollten sie auf alternative Möglichkeiten hinweisen, positive Diskussionen propagieren, alternative Quellen anbieten und auch auf den Informationsaustausch zwischen der Polizei und der Kommune hinweisen. Als glaubwürdige Stimmen könnten Lehrer, insbesondere Vertrauenslehrer oder Schulpsychologen, lokale religiöse Führer, lokale Wohltätigkeitsorganisationen, Vertreter von Jugendeinrichtungen und andere Vertreter öffentlicher Einrichtungen fungieren, die in der lokalen Umgebung aktiv sind und dort Einfluss haben. Überregional sind auch bekannte Größen aus dem Sport oder dem Showbusiness denkbar. Diese Bandbreite verdeutlicht nur einen Teil der Möglichkeiten von Personen oder Gruppen, welche in der Lage wären, bei der Prävention und der Verhinderung von Online-Radikalisierung eine wichtige Rolle zu spielen.

Das Zusammenspiel der verschiedenen Erfahrungen der teilnehmenden Länder wird bei den unterschiedlichen Gegebenheiten einen positiven Einfluss bei unterschiedlichen extremistischen Situationen haben, sodass ein Netzwerk im Informations- und Erfahrungsaustausch entstehen wird. Extremstische Propaganda aus diversen Richtungen kann so sinnvoll eingedämmt werden.

Fazit
Der Ansatz der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, präventive Antiterrormaßnahmen zu implementieren, wurde allgemein begrüßt und unterstützt. Bei der Entwicklung von präventiven Aspekten für den kommunalen Bereich im internationalen Kontext wurden unbekannte Gewässer betreten. Noch nie zuvor wurden nationale Antiterrorstrategien auf diese Weise mit den lokalen Kommunen in Verbindung gebracht. Gesellschaften und Kommunen können Terrorismus bekämpfen, in dem sie es ablehnen, extremistische Rhetorik zu akzeptieren. Hier spielen auch die Strafverfolgungsbehörden eine Rolle, da dies ein wesentlicher Teil ihrer Antiterrorstrategie sein könnte und sein sollte. Dies ist ein kollaborativer Ansatz, der von der Methodik von SMART-CV geliefert wird.

Das Phänomen der Online-Radikalisierung wurde sowohl durch die Reisefreiheit als auch durch die verstärkte Nutzung sozialer Medien beschleunigt. Traditionelle physische Grenzen haben eine weit geringere Bedeutung, insbesondere in der Weiterverbreitung von Informationen und in der Kommunikation. Auch Anschläge terroristischer Gruppen halten sich immer weniger an Ländergrenzen, sondern agieren in einem globalen Kontext. Als Ergebnis brauchen europäische Bürger einen koordinierten und nachhaltigen Ansatz zum Schutz ihrer Gesellschaft, wo auch immer sie leben.

Die Zusammenarbeit in Bereich des Antiterrorismus stellt den Schlüssel für die Gegenmaßnahmen der Online-Radikalisierung. Eine einzelne Strafverfolgungsbehörde oder Regierung kann ihre Bevölkerung nicht alleine beschützen. Alle Behörden müssen den Nutzen einer kooperativen Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus anerkennen und das Engagement und die Teilnahme in Forschungsprojekten zur Thematik fördern, um den Bürgern maximale Sicherheit zu gewährleisten. Durch die Zusammenarbeit, das Teilen der Erfahrungen und der diversen Ansätze können Strafverfolgungsbehörden dem Phänomen der Online-Radikalisierung gemeinsam begegnen. Aber es sind nicht die Strafverfolgungsbehörden, die in erster Linie den Terrorismus verhindern können, es sind die Gesellschaften, die Kommunen.

Über die Autoren:
Dr. Holger Nitsch ist Dozent für politische Bildung und Zeitgeschehen an der Bayerischen Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege – Fachbereich Polizei. Seine Schwerpunkte sind Extremismus und internationale Beziehungen. Außerdem ist er verantwortlich für das Fachgebiet Gesellschaftswissenschaften und internationales Projektmanagement.

Andrew Staniforth ist leitendes Mitglied der North East Counter Terrorism Unit der West Yorkshire Police. Hier ist er verantwortlich für internationale Forschungsprojekte. Darüber hinaus ist er Mitarbeiter des „Centre of excellence in terrorism, resilience, intelligence & organised crime research” (CENTRIC).

Anmerkungen:
(1) British Army [Online]. www.army.mod.uk/news/25536.aspx. 28.6.2013.
(2) Daily Mail [Online]. www.dailymail.co.uk/news/article-2331079/Woolich-murder-Distrauht-family-widow- murdered-soldier-Lee-Rigby-visit – street- died.html. 2.7.2013.
(3) BBC [Online]. www.bbc.co.uk/news/uk-22644857. 6.6.2013.
(4) Express [Online]. www.express.co.uk/news/uk/405880/Student-in court-for-vile-beheading-Twitter-post-after-the-death-of-Drummer-Lee-Rigby, 11.6.2013./
(5) Ebda.
(6) Ebda.
(7) Ebda.
(8) Staniforth, A Routledge Companion to UK Counter Terrorism. (2012) Oxon: Routledge
(9) Dantschke, C.; Mansour, A.; Müller, J. & Serbest, Y. (2011): Ich lebe nur für allah – Argumente und Anziehungskraft des Salafismus. ZDK – Gesellschaft Demokratische Kultur. Berlin
(10) Lambert, S. (27.06.2004): Mit 8 Jahren wurde „Deso Dogg“ aus Kreuzberg kriminell – jetzt kämpft er um seine Zukunft. Berliner Zeitung, Berlin
(11) Danschke, C. et al. (2011): a.a.O.
(12) Ebda.
(13) Berliner Morgenpost (17.04.2011): Anklage gegen Berliner Rapper Deso Dogg.
(14) Flade, F. (2012): Polizei findet Sprengstoffweste bei Ex-Rapper. Welt Online. www.welt.de/politik/deutschland/article106596484/Polizei-findet-Sprengstoffweste-bei-Ex-Rapper.html
(15) Die Welt (24.06.2012), Axel Springer Verlag Berlin
(16) BBC [Online] www.bbc.co.uk/news/world-europe-16984066 (26.06.2013)
(17) Frankfurter Rundschau (16.03.2012): Prüfstelle für jugendgefährdende Medien setzt islamistische Kampflieder auf den Index
(18) European Union: www.Register.consilium.eu.int/pdf/en/05/st14/st14469-re04.en05.pdf