Doch eines steht dem interessierten Beobachter der Bundeswehr wohl zu: Über Stil, Form und Inhalt kritischer Äußerungen ehemaliger hochrangiger Militärs nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zu urteilen.

Unter ehemaligen Generälen und hohen Offizieren ist es gemeinhin guter Brauch, nach dem Ausscheiden aus dem Amt sich zunächst einmal taktvoll zurückzuhalten und eine gewisse – wie es so schön heißt – „Schamfrist“ einzuhalten und dann erst Vorgänge im Bereich des früheren Tätigkeitsfeldes zu kommentieren. Damit das klar ist: Niemand kann einem Soldaten, ob er nun ein Ex- ist oder noch ein aktiver, Meinungen und auch kritische Kommentare verbieten. Die Aktiven sagen stets auch mit Blick auf die Karriere: „Dies ist meine persönliche Meinung“. Das ist so guter Brauch und in Ordnung! Ehemalige brauchen keine Einschränkungen – nur ist es hier oft der Ton, der die Musik bestimmt.

Im Ton vergriffen
Und hier hat sich der ehemaligen Generalinspekteur mit seinem Satz „Von der Leyen hat offensichtlich keine Ahnung vom Militär“ wohl vergriffen. Nun mag es ja sein, dass Minister, von einem anderen Ressort kommend, im neuen sich erst wenn überhaupt zurechtfinden müssen – da gab es vor von der Leyen schon und wird auch nach ihr so sein. Aber eines muss ein Minister, ob fachfremd oder nicht, können und haben: gute loyale Mitarbeiter, gutes Fachpersonal und – vielleicht die wichtigste Eigenschaft – er/sie muss der Öffentlichkeit politische Entscheidungen souverän, nachvollziehbar erklären und vermitteln können. Und auf diesem Feld, das hat sie in der Vergangenheit schon bewiesen, darf man der ersten Frau im Ministerium der Verteidigung wohl einiges zutrauen.

Gewiss, die von der neuen Ministerin offerierte und angepeilte familienfreundliche Bundeswehr sowie das ganze Paket einer Armee im Konkurrenzkampf mit der Wirtschaft bezüglich der Attraktivität mag Kritiker finden, Meinungen, denen der „Kampfcharakter“ des Soldatischen zu kurz kommt, Kritiker, die mehr Drohnen statt Kitas für den „Bund“ einfordern. All dies mag auch Ex-General Harald Kujat umgetrieben haben mit seiner Kritik. Doch der einst höchste Militär wird wissen, dass Soldaten, die sich in ihrem Umfeld, ob im Freundeskreis- oder in der Familie nicht wohl fühlen, ihre Aufträge, auch ihre Kampfaufträge, sollten sie denn kommen,  nur schwer, wenn überhaupt bewältigen können. „Soldaten brauchen eine vernünftige Ausrüstung“, fordert Kujat. Damit hat er Recht, eine Binsenweisheit. Doch bessere Ausrüstung, auf den Einsatz zugeschnittene Fahrzeuge und Equipment hat die Bundeswehr nach anfänglichen Defiziten in ihrem Kampfeinsatz in Afghanistan Zug um Zug erhalten. Afghanistan war die Nagelprobe für den Bund und er hat sie bestanden. Das weiß auch die Ministerin und darauf kann sie aufbauen.

Die Bundeswehr hat sich verändert
Es wäre intellektuell eine fatale Unterschätzung von der Leyens, wenn sie ihr Amt und ihre Ziele so führen und verfolgen würde, wie Kujat ihr vorwirft. Nur auf Kita und Familienfreundlichkeit sollte man die Ministerin nicht reduzieren. Sie wird und muss sich den militärischen Anliegen der ihr anvertrauten Soldaten stellen, denn eines ist auch gewiss: Die heutige Bundeswehr ist nicht mehr jene des Kalten Krieges, sie ist erst recht durch das Engagement in Afghanistan eine Einsatzarmee geworden, in der auch das Denken und Führen auf allen Ebenen und in allen Rängen ein anderes geworden ist.

Dass es ihr nicht nur um eine Art „Wellness“-Armee Bundeswehr geht, hat die Ministerin ja jetzt auch klargestellt, wenn sie sich in der Frage um bewaffnete Drohnen positioniert. Von der Leyen ist für die Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen. Über die Ausrüstung der Drohne mit Präzisionsraketen solle aber in jedem Einzelfall der Bundestag, also das frei gewählte deutsche Parlament, wie auch beim langjährigen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, entscheiden. Und auch  der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Hans-Werner Fritz, wies kürzlich in einem Interview nochmal auf die Notwendigkeit hin, Drohnen im Einsatz bewaffnen zu können. Er stellte fest: „Heute haben wir bereits ferngesteuert Aufklärungsdrohnen im Einsatz. Wenn unsere Soldaten im Gefecht stehen, müssen wir sie aus der Luft unterstützen können – und zwar sofort, ohne Zeitverzug. Deshalb halte ich die zusätzliche Möglichkeit zur Bewaffnung dieser Aufklärungsdrohnen zum Schutz für unsere Soldatinnen und Soldaten für unverzichtbar!“

Differenzierte Beurteilung nicht einfach
Nochmal zum Thema der von der Leyen Kritiker mit Ex-Genarl Kujat an der Spitze: Vieles, was zum Beispiel im Kontext des Afghanistan-Einsatzes in Planung und Durchführung gelaufen ist, und auch das, was aktuell im Verteidigungsministerium in Diskussion und Vorbereitung steht, können auch höchstrangige Offiziere nicht mehr en detail wissen, erst recht nicht , wenn sie zwölf bzw. neun Jahre aus ihrer aktiven Tätigkeit raus sind. Denn – und dies gilt auch für jetzt neu aufgelegten Konzepte für die künftige Ausrichtung der Streitkräfte – bei aller Erfahrung, allem Wissen um militärische Vorgänge, sind hochrangige Behördenleiter oder Militärs von bestimmten eingestuften Informationen und Vorgängen nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst abgeschnitten – und dann fällt oft eine differenzierte, der Sache dienende Beurteilung schwer.

Inzwischen hat sich der Ex-General bei der Ministerin für seinen „Ton“ schriftlich entschuldigt – eine Annäherung in Stil und Form!

Rolf Tophoven ist Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.