KRITIS Schadenslagen und Notstrom – die trügerische Sicherheit

KRITIS Schadenslagen und Notstrom

Eine der größten Herausforderungen im Bevölkerungsschutz ist heute der sogenannte Blackout, ein totaler Stromausfall. Dieser wirkt sich massiv aus: vom Übertragungsnetzbereichsbetreiber mit dem Übertragungsnetz bzw. Höchstspannungsnetz (380/400 KV) auf die Regionalnetze und Stadtwerke als Verteilnetzbetreiber mit deren Mittel- und Niederspannungsnetz (20 KV bis 230 V). Allein in Niedersachsen musste 2013 der Übertragungsnetzbetreiber Tennet über 1.000 Mal eingreifen, um einen Stromausfall zu verhindern.

Den meisten Entscheidungsträgern in Deutschland sind die Gefahren sehr wohl bewusst, die bei einem großflächigen Ausfall der Energieversorgung drohen. Nur das Risiko dieser Bedrohung scheint vielfach entweder relativiert oder aber verdrängt zu werden. Dies führt allgemein dazu, dass es kaum schlüssige Konzepte gibt, wie eine solche Krise zu bewältigen wäre. Häufig scheint die einzige Lösung darin zu bestehen, den fehlenden Strom in den Netzen durch entsprechende Aggregate vor Ort zu ersetzen.

Die Konzentration auf den Notstrom wirkt auf den ersten Blick wie eine logische Reaktion, doch stellt man bei genauerem Hinsehen fest, dass man sich damit in eine trügerische Sicherheit begibt. Selbstverständlich ist es naheliegend, dass man in einer solchen Krise mit allen Mitteln versucht, die Stromversorgung wiederherzustellen, und sei es auch nur für die wesentlichen und wichtigen Bereiche. Fatal ist hier nur, dass man sich vollkommen darauf verlässt, dass beim Eintreffen eines solchen Ereignisses genügend Notstromaggregate und vor allem auch ausreichend Betriebsstoffe zur Verfügung stehen. Noch fataler ist, dass man darauf vertraut, dass der Staat oder vielmehr sämtliche Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, kurz BOS, über genügend Aggregate und Betriebsstoffe verfügen, um damit die gesamte Bundesrepublik im Bedarfsfall versorgen zu können. Dies ist jedoch ein Irrglaube. So ist noch nicht einmal bekannt, wie viele Aggregate wirklich zur Verfügung stehen würden.

Es ist anzunehmen, dass die Anzahl der über die BOS verfügbaren Geräte äußerst begrenzt ist. Immerhin kamen beim Schneechaos im Münsterland 2005 und den damit verbundenen Stromausfällen 80 Prozent aller in Deutschland verfügbaren Aggregate des THW zum Einsatz. Dabei waren dort „nur“ rund 100.000 Haushalte (man schätzt etwa 250.000 Menschen in 25 Gemeinden) in drei Kreisgebieten betroffen.

Auf der anderen Seite ist aber vielfach auch gar nicht klar, wie viele Geräte welcher Größe überhaupt benötigt würden. Es liegen hierfür kaum Listen vor. Man verlässt sich darauf, dass man im Fall des Falles schon wissen wird, wie viele Aggregate welcher Größe vonnöten sind. Es wird mit abstrakten Werten geplant, denen keine reellen Güter gegenüberstehen und es besteht Grund zur Annahme, dass man einer realistischen Einschätzung der Entwicklung einer solchen Lage konsequent ausweicht.

Woher aber könnte man die Aggregate beschaffen, wenn der Staat sie nicht bevorratet und deren Verteilung organisiert? Man wäre in der Lage gezwungen, derlei Geräte über den freien Markt zu beziehen. Hier ist aber davon auszugehen, dass beim Eintreffen der Krise die Nachfrage explosionsartig ansteigt, während das Angebot schrumpft. Auch ein exorbitanter Preisanstieg wäre denkbar. Man kann davon ausgehen, dass der Markt sich selbst regeln würde, so wie es allgemein üblich ist, wenn einem geringen Angebot einer begehrten Ware eine riesige Nachfrage gegenübersteht.

Gleiches gilt für die Betriebsstoffe. Heute kann niemand in Deutschland abschätzen, wie viel Betriebsstoffe wie Diesel, Benzin und Gas in einer solchen Krise notwendig wären, um auch nur ein paar Stunden einsatzbereit zu sein. In Deutschland sind zwar Unmengen an Kraftstoffen gelagert, aber die Frage ist, wie diese in einer solchen Lage abzurufen wären. Tankstellen sind auf eine Stromversorgung angewiesen, um arbeiten zu können. Ohne Energie funktionieren die Pumpen nicht und in Deutschland existieren gerade einmal 15 Tankstellen mit einer Notstromversorgung.

Moderne Tankstellen verfügen zwar häufig über die Vorrichtung für den Anschluss eines Aggregats, doch müssen auch hier erst entsprechende Geräte beschafft werden. Wie die Aggregate würden auch Treibstoffe zu einem begehrten Gut, so dass auch hier die Verfügbarkeit von Betriebsstoffen drastisch sinken würde, während gleichzeitig deren Nachfrage und damit die Preise enorm ansteigen würde.

Würde man die Strategie der Notstromversorgung konsequent durchführen, so müsste man einen nicht unbeträchtlichen Teil der Stromversorgung über fossile Brennstoffe gewährleisten – eine Herkulesaufgabe. Nicht nur die Bevorratung wäre kompliziert, auch die Logistik, mit der man die Betriebsstoffe zu den einzelnen Verbrauchern transportieren müsste, wäre in der Realität nicht umsetzbar, zumal die erforderlichen Fahrzeuge auch wieder mit Treibstoffen versorgt werden müssten. Selbst wenn in einer solchen Krisenlage der gewöhnliche Privat- und Berufsverkehr ruhen und dadurch Betriebsstoffe eingespart werden könnten, so müsste der gesamte Fuhrpark der BOS-Kräfte weiterhin versorgt werden. Allein eine Berufsfeuerwehr wie etwa die von der Landeshauptstadt Düsseldorf benötigt am Tag ca. 10.000 Liter Treibstoff.

Um eine funktionierende Notstromversorgung aufzubauen, ist es zwingend erforderlich, schon lange vor der Lage ein entsprechendes schlüssiges Konzept zu erstellen. Ist das Ereignis erst einmal eingetroffen, so ist die Entwicklung eines solchen Konzepts so gut wie ausgeschlossen, wie die oben aufgeführten Probleme belegen.

Verfügt man aber über ein Notstromkonzept, muss dieses auch adäquat umgesetzt werden. Hier reicht es nicht, Aggregate einfach nur anzuschaffen und einzulagern. Sie müssen regelmäßig überprüft und gewartet werden, um die Einsatzbereitschaft im Notfall zu gewährleisten. Auch muss die Frage geklärt werden, wo in der Krisenlage zusätzlich Ersatz- und Verschleißteile besorgt werden können oder ob man diese sogar ebenfalls einlagern muss. Ebenso muss das Betriebsstoffmanagement genau geplant werden. Welche Betriebsstoffe werden benötigt? Wie groß ist die Menge der einzelnen Betriebsstoffe? Wo und wie können diese sicher und schnell abrufbar gelagert werden? Wie können die einzelnen Verbrauchsstellen versorgt werden?

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass schlüssige Konzepte für die Resilienz während eines Blackouts in Deutschland fehlen. Dabei wäre es absolut notwendig, bereits im Vorfeld sinnvolle Strategien zu erarbeiten, die helfen, eine solche Krise abzufedern: Erst während einer Hochwasserlage Deiche zu bauen, hat wenig Sinn, und ebenso ist es nicht ratsam, sich erst mit der Lösung von Problemen zu befassen, wenn der große Stromausfall eingetroffen ist.

Neben den Bedrohungen, die ein solches Ereignis für die Sicherheit der Gesellschaft mit sich bringen dürfte, muss hier ausdrücklich auch auf die Gefahren für den medizinischen und vor allem für den Pflegebereich hingewiesen werden. Zwar verfügen sämtliche Krankenhäuser über eine Notstromversorgung, doch in Alten- und Pflegeheimen ist diese eher selten vorzufinden. Aber auch ein Notstromaggregat allein ist kein Garant dafür, eine solche Krise sicher zu überstehen. Hier sind umfassendere Konzepte notwendig, um die Krise zu bewältigen und Leben zu retten.

Quellenangaben
Titelbild: Foto © Klaus Eppele - Fotolia

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