Sicherheitspolitische Dimensionen eines Wirtschafts- und Währungskrieges

Vor dem Zweiten Weltkrieg lag eine wesentliche Aktivität der Amerikaner und Briten darin, den Handel mit strategischen Wirtschaftsgütern für Deutschland und Japan zu erschweren. Deutschland wiederum bemühte sich, die Handelsbeziehungen mit neutralen Staaten, wie zum Beispiel der Türkei, zu fördern, indem diese Länder wirtschaftlich von Deutschland abhängig wurden. Eine Hauptaktivität der Alliierten war "Preclusive Purchasing", der Erwerb von Gütern und Rohstoffen, um den Gegner daran zu hindern, diese zu beziehen.

Im vergangenen Jahrhundert spielte der internationale Finanzhandel nicht dieselbe Rolle wie heute, der Wirtschaftskrieg fand auch deshalb auf den Handelsplätzen statt. Heute findet der Wirtschaftskrieg zwar immer noch auf den Handelsplätzen statt, zunehmend aber auch auf den Finanzmärkten. Länder, die über Rohstoffe und eine starke Währung verfügen, können nun beides als Waffen einsetzen, um sich für künftige Konflikte zu positionieren.

Am Währungskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China ist dies sehr gut zu verfolgen. Die chinesische Zentralbank hält den Wechselkurs seiner Währung künstlich niedrig, um dadurch die Exportbemühungen des Landes zu unterstützen. Gleichzeitig kauft sie US Treasuries und ist heute der größte Gläubiger der Vereinigten Staaten. Nun plant die Federal Reserve Treasury, Bonds im Wert von 600 Milliarden Dollar in den Markt zu bringen und diese selber zu kaufen, mit erheblichen Auswirkungen auf die Vermögensmärkte. Diese Geldmenge wird nicht nur in Amerika bleiben, sondern sich über die Welt und damit auch in China verteilen. China befürchtet, dass diese Gelder die Inflation im eigenen Land anheizen werden und bekämpft diesen Schritt vehement und mit Nachdruck, mit der Unterstützung einiger europäischer Länder.

China investiert seinen neuen Reichtum Chinas weniger in die breite Bevölkerung, als in Investitionen in Zukunftstechnologien und in die Streitkräfte des Landes. Aufgrund chinesischer Drohungen, künftig nur bedingt Importe zu erlauben, bauen europäische und amerikanische Firmen in China Fabriken und liefern dadurch Entwicklungshilfe auf hohem Niveau. Gleichzeitig nutzt China seine Geheimdienste, um in den Besitz von Schlüsseltechnologien zu gelangen. Dass dies eine von höchster Ebene veranlasste Strategie sei, wird gebetsmühlenartig von chinesischer Seite verneint. In der Tat sind diese Aktivitäten nichts anderes als eine aggressive Nutzung wirtschaftlicher und geheimdienstlicher Methoden, um nationale Ziele zu erreichen: Zuvorderst Amerika als globale Supermacht einzuholen und abzulösen.

Es ist nicht anzunehmen, dass Amerika seine Position als Supermacht kampflos aufgeben wird, und hierin liegt eine der großen Gefahren dieses Wirtschafts- und Währungskrieges. Der amerikanische Wirtschaftskrieg gegen Japan war einer der Hauptgründe für den Angriff der Japaner auf Pearl Harbour im Dezember 1941. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass diese Entscheidung durch die anhaltende Besetzung Chinas durch Japan ausgelöst wurde.

Amerikas militärische Präsenz im pazifischen Raum umfasst insgesamt 325.000 Soldaten, fünf Flugzeugträger, 180 sonstige Kriegsschiffe, 400 Flugzeuge sowie zwei Drittel der US Marines. Amerika hat außerdem Bündnisse mit Ländern gebildet, die China als Bedrohung sehen. Neben den alten Verbündeten des Zweiten Weltkrieges zählen Taiwan, Japan, Vietnam und Kambodscha zu den Ländern, mit denen die USA regelmäßig Manöver abhalten und gute Kontakte pflegen, zum zunehmenden Ärger Chinas.

China hat auf diese Entwicklung reagiert, indem es Flottenstützpunkte und Überwachungsstationen entlang der Schifffahrtsroute vom Persischen Golf nach China errichtete. Dies sichert nicht nur die Versorgungswege der chinesischen Ölimporte, sondern umzingelt gleichzeitig den indischen Subkontinent und setzt die amerikanischen Flottenverbände unter Druck. Parallel dazu investiert China massiv in den Bau von modernen Kampfschiffen und strategischen U Booten. Es entwickelt auch strategische Raketen, die landgestützt aus weiter Entfernung maritime Ziele angreifen können.

Populistische Medien in Amerika, wie zum Beispiel Fox News, sehen sich klar mitten in einem Wirtschaftskrieg mit China und fordern die Regierung auf, endlich China die Stirn zu bieten. Solche Stimmen geben China die Schuld an den hohen amerikanischen Arbeitslosenzahlen und dem hohen Handelsbilanzdefizit. In China ist die Stimmung ähnlich. Eine Befragung durch die chinesische Zeitung "Global Times" ergab, dass 55% der Chinesen an den Ausbruch eines kalten Krieges zwischen China und USA glauben. Ausgelöst durch Waffenlieferungen an Taiwan, verlangen nun chinesische Offiziere der Armee und Marine eine härtere Gangart gegen die Vereinigten Staaten und sprechen sich für Waffenlieferungen an die Feinde Amerikas aus.

Konflikte zwischen China und Amerika sind nichts Neues. 1950 verhinderte die Siebte Flotte die Übernahme Taiwans durch China, und im Koreakrieg standen sich chinesische und amerikanische Truppen gegenüber. Das China der 50er Jahre war aber arm und nicht industrialisiert; heute verfügt China über Streitkräfte, die in einem Landkrieg den amerikanischen Streitkräften ebenbürtig sind. Auch wird nur zu oft vergessen, dass es den amerikanischen Streitkräften im Koreakonflikt nicht gelungen ist, den Krieg für sich zu entscheiden und die Integrität Koreas wiederherzustellen.

Chinas militärische Unterlegenheit liegt in der Luft und auf hoher See, das wissen die chinesischen Streitkräfte und Politiker sehr genau. Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, dass China den direkten Konflikt mit den USA suchen wird. Wahrscheinlicher ist, daß es eine Strategie der asymmetrischen Kriegsführung einschlagen wird. China könnte Handelswege blockieren, Kommunikation stören und Satelliten zerstören. Es könnte einen lokalen und eingeschränkten Krieg unter high-tec Konditionen gegen Amerika führen. Es weiß sehr genau, dass Amerika sich nicht auf einen Landkrieg in China einlassen wird. Weder im Korea- noch im Vietnamkrieg hat Amerika es gewagt, chinesisches Territorium direkt anzugreifen.

Der von China geführte Wirtschafts- und Währungskrieg hat dem Land Reichtum gebracht und gleichzeitig ermöglicht, seine Streitkräfte zu modernisieren. Die Entwicklung hat gezeigt, dass das chinesische Territorium zu klein ist für eine rasch wachsende Bevölkerung und dass die erforderlichen Rohstoffe fehlen. China muss expandieren, um sein Ziel, Amerika abzulösen, zu erreichen. Gleichzeitig ist sich China bewusst, dass es mittelfristig den direkten militärischen Konflikt mit Amerika nicht gewinnen kann. Schon deshalb scheut sich China noch vor einer militärischen Lösung des Taiwan-Problems.

Chinas Zukunft liegt bereits heute im russischen Fernosten, einer Region reich an Rohstoffen und arm an Bevölkerung. Die Wirtschaft dieser Region ist fest in chinesischer Hand, und Moskaus Einfluss seit Ende der Sowjetunion nur schwach. Laut Angaben des International Institutes for Strategic Studies stehen sich in dieser Region 250.000 chinesische und etwa 76.000 russische Truppen gegenüber. Sollte sich China entscheiden, diese Region zu annektieren, könnte Russland einen konventionellen Konflikt nur schwer gewinnen. Zu der zahlenmäßigen Unterlegenheit der russischen Streitkräfte kämen noch die sehr langen und angreifbaren Versorgungswege erschwerend hinzu. Aus der chinesischen Perspektive wäre eine Annektierung des russischen Fernostens militärisch denkbar, würde aber die Gefahr eines taktischen Nuklearkonfliktes mit Russland bergen.

Chinas Expansionsdrang, ausgelöst durch das rasante Wachstum seiner Wirtschaft, zeigt sich auch an anderen Stellen. In Afrika ist China der größte Investor und Geldgeber. Dabei werden korrupte Regime unterstützt, nur um den Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Diese Investitionen haben zur Folge, dass amerikanische und europäische Firmen an Einfluss und damit Märkte verlieren. Länder wie Birma oder Nord Korea sind de facto chinesische Kolonien. Im Chinesischen Meer beansprucht China Inseln und Seewege im "nationalen Interesse" und setzt mit diesen Forderungen Länder wie Malaysien und Vietnam unter Druck.

Präsident Reagan hat gezeigt, dass ein Wirtschaftskrieg gewonnen werden kann. Gemeinsam mit seinem Sicherheitsberater, William Clark, ist es ihm Anfang der 80er Jahre gelungen, eine nationale Sicherheitspolitik zu entwickeln, mit dem Ziel, die Sowjetunion ohne Waffengewalt zu besiegen. Zum einen wurden die Lieferungen von strategischen Produkten verhindert und Kredite verweigert. Zum anderen eskalierte Reagan die Aufrüstung und verwickelte die Sowjetunion in ein kostspieliges Wettrüsten und in einen asymmetrischen Krieg in Afghanistan. Das Resultat ist bekannt.

Reagan konnte diesen Krieg nur gewinnen, weil Amerikas Kassen voll waren. Heute ist das aufgrund der anhaltenden amerikanischen Wirtschaftskrise nicht mehr der Fall. Amerikas Geld ist in China. Es ist anzunehmen, dass China die Politik Reagans sehr genau studiert hat.

Ferner scheint China fest entschlossen, Taiwan und das Chinesische Meer wieder zu beherrschen. Schließlich herrschte schon das chinesische Kaiserreich über diese Regionen. Aber auch Regionen fern der heutigen chinesischen Grenzen waren in der Vergangenheit Teil Chinas: Weite Teile Zentralasiens, der russische Fernosten und große Teile des heutigen Vietnams. Die große Frage ist, ob China einen direkten Konflikt mit Amerika und seinen Verbündeten sowie Russland riskieren würde, um sich diese Länder wieder einzuverleiben. Dies ist die sicherheitspolitische Dimension des Wirtschafts- und Währungskrieges zwischen China und Amerika.

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Maxim Worcester und Bernd Bühler sind Autoren des Security Explorers.
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