Sicherheit im Stadion?

Die Vorgänge in der Düsseldorfer Esprit-Arena beim entscheidenden Relegationsspiel zwischen der heimischen Fortuna und der Gästemannschaft von Hertha BSC aus Berlin zählten zum Schlimmsten, was man in den letzten Jahren im deutschen Fernsehen und live in einem Stadion erleben konnte. Dabei handelt es sich um eine Fußballarena, deren Betreiber sich angeblich eines hocheffizienten Sicherheitskonzeptes bedienen. Das allerdings hat schon die erste Bewährungsprobe nicht bestanden, sondern stürzte, als es wirklich darauf ankam, innerhalb von Minuten wie ein Kartenhaus zusammen.

Es bedarf wirklich keiner der üblichen "eingehenden Untersuchungen" mit der wie in vielen vergleichbaren Fällen (letztes Beispiel Love-Parade Duisburg) ebenso üblichen Feststellung, dass eigentlich niemand wirklich schuld war. Im Fall des Düsseldorfer Relegationsspiels ist jedermann deutlich geworden, wo die Versäumnisse und Fehler lagen, die zwangsläufig zu diesen chaotischen Vorkommnissen geführt haben: So ist zunächst ein völliges Versagen der Sicherheitskräfte (Ordner und Polizei) festzustellen. In deutschen Stadien sind Leucht- und Sprengkörper aller Art strikt verboten. Das von einigen Hertha-Anhängern veranstaltete und extrem gefährliche Bengalo-Feuerwerk erlaubt nur den Schluss auf eine erschreckende Inkompetenz der Ordnungsdienste bei den Zugangskontrollen. Kein einziger Fußballfan wäre mit einer solchen Bengalo-Fackel am Düsseldorfer Flughafen durch den Check gekommen, damit ins Stadion zu gelangen, hat aber offensichtlich kein Problem dargestellt. Als die Würfe mit den brennenden Bengalos einsetzten, war von den ohne Zweifel im Stadion anwesenden Feuerwehrleuten übrigens wenig zu sehen.

Als dann zwei Minuten vor Abpfiff durchgeknallte Fans das Spielfeld stürmten, wirkten die wenigen Ordner und Polizisten wie Dilettanten. Aber was hätten sie denn auch tun sollen? Wieso konnten die sogenannten Fans überhaupt ungehindert die Absperrungen überwinden? Es gibt durchaus passive Sperrmaßnahmen durch bauliche Konfigurationen wie z. B. in der Leverkusener BayArena, die so etwas verhindern. Wenn solche Möglichkeiten nicht gegeben sind, stimmt schon im Planungsbereich für das Sicherheitskonzept einiges nicht. Das gilt ebenso für die offenbar gewordene Hilflosigkeit des Stadionsprechers bei seinem Bemühen um Deeskalation. Alle eben leider nur gut gemeinten Fan-Betreuungskonzepte erweisen sich  in derart schwierigen und letztlich nicht mehr zu steuernden Aktionen der "Masse Mensch" als Makulatur.

Vergleichbare kritische Anmerkungen ließen sich auch für die einen Tag zuvor in Karlsruhe stattgefundenen Ausschreitungen machen, und vergleichbare, wenn auch in den Dimensionen kleinere Ereignisse hat es in der abgelaufenen Bundesligasaison 2011/12 immer wieder gegeben. FOCUS Online berichtete am Mittwoch (16.05.2012) über die Reaktion des Vorstandsvorsitzenden von Fortuna Düsseldorf, Peter Frymuth, dessen Gesicht starr vor Schreck gewesen sei: "Diese Bilder haben mich schockiert", sagte Frymuth, "wir müssen nun alles tun, damit wir auch in puncto Sicherheit erstligatauglich werden. Ich hatte Angst um die Menschen, Angst um die Zuschauer." Man darf gespannt sein, was nun geschehen wird. Sollten Fußballstadien für Familien, ältere Mitbürger, Kinder und Jugendliche nicht mehr ein sicherer Ort der Freude am Sport, sondern zunehmend einer der latenten Gefahr sein, körperliche und psychische Schäden zu erleiden, werden diese Zuschauer zuhause bleiben und eine virtuelle Teilnahme vor dem Fernsehgerät bevorzugen. Damit ist weder den Sportlern noch den Vereinen gedient.

Was ist zu fordern? Die Stadionbetreiber müssen ihre bestehenden Sicherheitskonzepte vorurteilsfrei prüfen und an die neuen Gefahrenlagen mit stets möglichen Ausschreitungen neu anpassen. Es gilt, durch unabhängige und fachlich versierte Prüfinstanzen/Gutachter Kriterien für die Sicherheit der Zuschauer neu zu definieren und in realistische, flexibel handhabbare Konzepte umzusetzen. Dazu zählen bessere Auswahl und höhere Zahlen gut qualifizierter Sicherheitsfachkräfte wie eben auch angemessene bauliche Maßnahmen zur Steuerung der Verkehrswege in den Stadien und kompromisslose Zugangskontrollen.

Es gilt jetzt, den zeitlichen Vorlauf von noch ca. drei Monaten bis zum Beginn der neuen Bundesligahinrunde 2012/13 zu nutzen. Fußballspiele dürfen nicht zur Bühne für hirnlose Chaoten und ihre Randale-Aktionen werden. Die wirklichen und in aller Regel friedlichen Fußballfans haben einen Anspruch auf sichere Spiele, bei denen die sportlichen Kriterien im Vordergrund stehen, bei denen es Sieger und Verlierer nach Punkten gibt, aber keine Opfer von Ausschreitungen wie in einem Bürgerkriegsszenario. Die verantwortlichen Behörden in den Städten mit Stadien der 1. und 2. Bundesliga sind gemeinsamen mit den Verantwortlichen in den Vereinen in der Pflicht, auf die längst veränderten Gefährdungen zu reagieren und im Rahmen der erforderlichen Prävention bisherige Sicherheitskonzepte zu überprüfen, ggf. anzupassen oder neue Regelungen zu entwickeln.

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Dieser Beitrag stammt von freien Mitarbeiter:innen des Security Explorer.
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